Bauwerk

Kunsthaus Graz
Sir Peter Cook, Colin Fournier - Graz (A) - 2003

Anspielungen auf Utopien

Als internationale Institution soll das Kunsthaus Graz auch seine Lage im Südosten Österreichs kreativ nutzen und den Blick nach Zagreb, Ljubljana und Venedig richten.

26. September 2003
Die diversen Spötteleien über das neue Kunsthaus spiegeln gleichermaßen Neugier und Skepsis der Menschen gegenüber dem spektakulären Bau, der in der steirischen Hauptstadt künftig zeitgenössische Kunst präsentieren wird.

Eine blau schimmernde Blase erhebt sich über einer gläsernen Basis. In der Dämmerung flackern Lichtspiele über die gewölbte Fassade. Wie ein Fremdkörper wirkt der Bau am rechten Ufer der Mur zwischen all den Barockbauten, historistischen Gebäuden und schmucklosen Nachkriegsbauten gegenüber der Altstadt.


Der „Friendly Alien“

Als Fremdkörper ist er auch gedacht: „Friendly Alien“ (Freundlicher Fremdling) nennen die Londoner Architekten den Entwurf, mit dem sie den 1999 ausgeschriebenen Wettbewerb um das Kunstprojekt zum Programm der Kulturhauptstadt Europas 2003 für sich entscheiden konnten.

Fournier und Cook, der 1960 die einflussreiche britische Architekten-Gruppe „Archigram“ mitgegründet hatte, spielen mit der organischen Form des Gebäudes auf Utopien der 60er Jahre an. Das blasenförmige Gebilde mit den nach oben gerichteten, warzenförmigen Röhren erinnert an frühe Science-Fiction-Filme oder auch an biologische Strukturen, wie sie unter dem Mikroskop erscheinen.


Medienfassade als Charakteristikum

Ein ganz besonders wertvolles Charakteristikum des Kunsthauses wird die BIX-Medienfassade sein. Nach einem Konzept der Berliner Gruppe „realities:united“ werden in jedem Fassaden-Element mehrere kreisförmige Leuchtstoffröhren integriert.

Mit ihrer Hilfe wird die blaue Blase der Fassade zu einem Low-Resolution-Bildschirm von urbaner Größe, der sich für einfache Bildsequenzen und für vielfältige Textabläufe eignet. Das bedeutet ein außergewöhnliches Medium für die Kunst und deren Vermittlung. Und die Möglichkeiten sind vielfältig - und für Partner wie etwa Medien und Sponsoren von großem Interesse.


Kontroversen um Korrekturen

In den letzten Monaten haben Korrekturen und Veränderungen am Bau Kontroversen ausgelöst. Die transparent geplante Blase ist auf Wunsch der Kuratoren undurchsichtig geworden und von einer halb transparenten blauen zweiten Haut umgeben worden.

Die Kuratoren hatten befürchtet, dass das einfallende direkte Licht die Exponate schädigen und die Sichtverhältnisse stören könnte. Prompt gab es Aufregung um den erwarteten „schwebenden Bunker“.


Unmut über höhere Kosten

Zudem sorgte die Verteuerung des Projekts, das ursprünglich mit einem Budget von 38 Millionen Euro ausgestattet war und nun rund zwei Millionen Euro mehr kosten wird, für Unmut.

Außerdem sind die Arbeiten wenige Tage vor dem Eröffnungstermin noch nicht abgeschlossen. Doch die Betreiber sind zuversichtlich, dass das neue Museum bald die Sympathien von Einwohnern und Besuchern gewinnen wird.


Die Schwerpunkte

Intendant Peter Pakesch, Leiter des steirischen Landesmuseums Joanneum, ist künftig für die Inhalte des Kunsthauses verantwortlich. Er will auf den zwei Ebenen des Hauses mit insgesamt rund 2.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche den Schwerpunkt auf Medienkunst, Fotografie, Design und Architektur legen.

Das Museum besitzt keine eigene Sammlung, sondern wird jährlich in Kooperation mit anderen Häusern drei bis vier Wechselausstellungen zeigen. Wie das Gebäude, so zeigt sich auch das inhaltliche Konzept als eine Klammer zwischen einstigen Utopien und heutiger Machbarkeit.


Eine junge Geschichte

Gegenwartskunst auf internationalem Niveau hat in Graz zwar eine intensive, jedoch in dieser Form nicht sehr lange Geschichte. Sie umfasst etwa die letzten 40 Jahre.

Die Gründung des „Forum Stadtpark“, die Entwicklung von „Trigon“, die Aufbrüche der Grazer Architektur sowie die Präsenz des „steirischen herbstes“ sind wichtige Bezugspunkte. Hier können - aufbauend u.a. auf der Tätigkeit der „Neuen Galerie“ - noch Kompetenzen für künftige Visionen entwickelt werden.


Breit gefächerte Möglichkeiten

Die offenen Ausstellungsflächen und das architektonische Konzept des Kunsthauses ermöglichen eine flexible Bespielung und Nutzung. Und die Ausstattung gewährleistet den Umgang mit allen modernen Medien.


Schaffung eines Kunstclusters

Das Programm des Museums soll durch die Vielzahl der Aktivitäten
bestimmt werden:

So werden „Camera Austria“ und das Medienkunstlabor eine ähnlich starke Rolle spielen, wie andere Institutionen, die nun in die Häuser Mariahilferstraße 2 und 4 einziehen können. Die übergeordnete Idee ist die Schaffung eines Knotenpunkts, eines so genannten Kunstclusters des Zeitgenössischen.

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