Bauwerk

MuseumsQuartier Wien - MQ
O&O Baukunst, Manfred Wehdorn - Wien (A) - 2001
MuseumsQuartier Wien - MQ, Foto: Gerald Zugmann

Zwischen „zawos“ und „ehwurscht“

Über das Wiener Museumsquartier wird nicht einmal mehr gestritten

24. Juli 1999 - Peter Huemer
Berlin: Ursache für den unbestreitbaren Erfolg, den - bei aller Kritik, die es selbstverständlich auch gibt - der neue Potsdamer Platz hat, ist vor allem, daß man die Architekten, unbehelligt von Zeitungsherausgebern, diesen verbundenen Politikern und anderen Unzuständigen, hat bauen lassen, gemäß den Plänen, die sie vorgelegt hatten. Wesentlich für die breite Publikumsakzeptanz zeitgenössischer Architektur war ferner, daß man das riesige Bauprojekt vom Start weg mit gründlicher Information für die Allgemeinheit versehen hatte, untergebracht in einem eigens errichteten architektonisch äußerst pfiffigen zweistöckigen Gebäude, der knallroten „InfoBox“.

Wer mehrmals dort war, weiß, daß diese Box mit ihren Modellen, Schautafeln, Videoinformationen samt Aussichtsplattform für den Blick auf die Baustelle dem Andrang des Publikums, das täglich zu Tausenden kam, gelegentlich kaum gewachsen war. So wurde der Potsdamer Platz eine Attraktion, Jahre bevor er begehbar war. So macht man das.

Wien: Hier befindet sich, lese ich, seit Jahren die größte Kulturbaustelle Europas. Zuerst gab es gar keine Information dazu. Jetzt steht ein schmales Kammerl im Durchgang ins Museumsquartier mit einem Video und einem Computer zur Verfügung. Für das, was er bietet, ist selbst dieser Raum nicht zu klein. Denken Sie jetzt an die InfoBox am Potsdamer Platz, und der Vergleich macht Sie sicher.

Nicht einmal ein Modell ist in Wien zu besichtigen. Das ist auch gut so, weil immer noch nicht zu sagen ist, angesichts der unzähligen Interventionen der Unzuständigen, was letztlich gebaut werden wird und wie es aussehen wird.

Am Anfang stand ein gelungenes, klug durchdachtes Siegerprojekt der Architektenbrüder Ortner und Ortner. Dann fielen die Unzuständigen, der Zeitungsherausgeber, die untertänigen Politiker, die Neider, die Lodenmäntel und das Denkmalamt darüber her. Zuerst verschwanden die besonders wichtigen Gebäude vor den Hofstallungen an der Zweierlinie, dann der Leseturm, dann wurden die Kubaturen grotesk verkleinert. Um alles mußten die Architekten kämpfen, bis zur Verkleidung der Außenwände.

Dazu die kleineren und größeren Querschüsse: Ein schönes, aber unrealistisches Wiener Guggenheim-Projekt von Hollein, das plötzlich als eine Art Gegenentwurf zur Diskussion stand. Das Auftauchen des Architekten Wehdorn bei den Ortners, weil er so gute Beziehungen zum Denkmalamt habe, hieß es. Lauter so Beziehungsgeschichten der österreichischen Art.


Kaputtgelacht

Sollte, was nach all den Reduktionen, Interventionen übrig bleibt, architektonisch dennoch gelingen, so ist das einzig den Architekten Ortner zu danken, den Bauherren bestimmt nicht. Fest steht aber schon heute, daß der große Wurf, den das Projekt ursprünglich dargestellt hat, zerstört worden ist - während überall auf der Welt kühne, rahmensprengende Entwürfe gerade für Museumsbauten zu neuen Wahrzeichen von Städten geworden sind.

Daß auch das Wiener Projekt eine sogenannte „Jahrtausendchance“ darstellte, ist diesfalls kein reines Festrednergewäsch - es wäre wirklich eine (gewesen). Aber wer braucht das schon, wo doch mir mir san?

Während man in Berlin stolz ist auf das Geplante und es seit Baubeginn entsprechend präsentiert hat, ist man in Wien den umgekehrten Weg gegangen: Man hat das Ganze versteckt, wie man einen toten Hund begräbt. Vielleicht war es ein Rest von Schamgefühl angesichts des angerichteten Schadens, vielleicht war es Indolenz: Is eh wurscht. Wer weiß, die Motive sind auch egal.

Nicht egal ist dagegen, daß mit dem Riesenprojekt, das immerhin eine Menge unseres Geldes kostet, keinerlei Freude verbunden ist, keinerlei spannende Erwartung, keine Diskussionen, nicht einmal mehr Streit. Es wäre für diese Stadt eine Chance gewesen. Is eh wurscht. Und wer ist verantwortlich? Is eh wurscht.

Es gibt ein Photo vom 8. Dezember 1997, aufgenommen am Tag des Startfests im Wiener Museumsquartier. Darauf sieht man Ministerin Gehrer, Bundeskanzler Klima, Bürgermeister Häupl und Stadtrat Marboe gemeinsam auf die Knöpfe eines kleinen Kastls drücken. Ein symbolischer Akt für den bevorstehenden Baubeginn. Und alle vier lachen. Es ist nicht zu fassen: Sie lachen!

Am Tag der Eröffnung werden sie wieder lachen.

Wir nicht - es sei denn, die verantwortlichen Politiker besinnen sich und die Architekten erhalten doch noch die Chance, ihr Projekt zu verwirklichen.

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