Bauwerk

MuseumsQuartier Wien - MQ
O&O Baukunst, Manfred Wehdorn - Wien (A) - 2001

Eine barocke Party

Am Montag (11. Juni) feiert die Kunsthalle ihre „Gesamteröffnung“. Am 28. Juni wird dann das komplette MuseumsQuartier eingeweiht.

12. Juni 2001 - Rainer Elstner
Gerald Matt wurde ein Strich durch seine Rechnung zur Eröffnungsfeier der Kunsthalle im MuseumsQuartier gemacht: Geplant war eine „pyromanische Serenade“ unter dem Titel „Entrée Baroque“ auf dem Platz vor der Kunsthalle. Die Betriebsgesellschaft des MuseumsQuartiers mit ihrem Leiter Wolfgang Waldner hat sich das „ius primae noctis“ nicht nehmen lassen und die Eröffnung vor der Eröffnung nicht gestattet.


„In den Hof pinkeln“

Den Triumph der „Bürokratie über die Kunst“ sah Kunsthallen-Direktor Gerald Matt in dem Entscheid. Die seit zwei Jahren geplante Ausstellung „Eine barocke Party“ sei in Kombination mit dem Eröffnungsevent „eine klare Referenz auf diesen Ort“. Waldner konterte, Matt wolle „alleine vorpreschen“, das Gelände solle aber in einer „koordinierten Aktion“ eröffnet werden.

Via „Falter“ goss Galerist und Grätzel-Nachbar Hubert Winter Öl ins Feuer: „Es geht Matt als Profilierungsneurotiker lediglich darum, als erster in den Hof des MuseumsQuartiers zu pinkeln.“


Dreimal Ortner

Betritt man den umfehdeten Innenhof durch den Haupteingang, erhebt sich links das weiße Leopoldmuseum, rechts das graue Museum Moderner Kunst (mumok). Dazwischen streckt sich die weiß verputzte ehemalige Winterreithalle in die Breite. Die langen Hofstallungen beherbergen jetzt die von den Festwochen genutzten Hallen E und G. An die Hinterseite des historischen Gebäudes schmiegt sich die zweistöckige Kunsthalle. Alle drei Bauten sind vom Architekturbüro Ortner & Ortner geplant.

Im Erdgeschoß des Ausstellungsgebäudes sind seit 9. Mai Video-Arbeiten von Steve McQueen zu sehen. Mit der Ausstellung Eine barocke Party im ersten Stock wird die Kunsthalle am Montag offiziell eröffnet. In jeder Etage werden pro Jahr vier Ausstellungen zu sehen sein.

„Wir werden als Kunsthalle dafür sorgen, dass es nicht nur ein Ort der Attraktion wird, sondern auch ein Ort der Irritation“, verspricht Matt. „Betrachten sie das vielleicht als kleines Versprechen für die Zukunft. Aber durchaus für ein breiteres Publikum auch mit schwieriger, spannender, zeitgenössischer Kunst.“ Man habe Lösungen für dieses Problem gefunden, die Besucherzahl sei von knapp 50.000 auf über 160.000 Besucher gestiegen.


Event adaptiert

Der Open-Air-Eröffnungsevent von Sonja Bender (Videosampling), Frieder Butzmann (Sounds), Friederike Feldmann (Fassadenaltäre) und Peter Frank (Fire Art) wurde nun für das Foyer adaptiert.

Mit der „barocken Party“ will Gerald Matt zeigen, dass das 17. Jahrhundert nicht nur an historischen Fassaden zu finden ist, sondern auch in der zeitgenössischen Kunst eine besondere Rolle spielt. Die Ausstellungskuratoren Sabine Folie und Michael Glasmeier betonen, dass die moderne und zeitgenössische Kunst sich eher in Zusammenhang „mit ästhetischen Konzepten des Barock als mit der Idee des Gesamtkunstwerks des 19. Jahrhunderts“ bringen ließe.


Verdauungstrakt als Installation

Die Ausstellungsmacher haben Künstler mit Haltungen aufgespürt, die einem barocken Kunstkonzept verwandt sind. Darunter die „Technologischen Reliquare“ von Paul Thek oder Wim Delvoyes „Cloaca“, eine 12 Meter lange, dem Verdauungstrakt nachgebildete Installation. Das „Verdauungslabor“ wird auf der einen Seite gefüttert und produziert am anderen Ende Exkremente. „Ornament ist für mich Verschwendung. Diese Arbeit ist eine Arbeit der Verschwendung. Ich habe viel Geld, Material und menschliche Arbeitskraft in die Produktion von einem Nichts investiert. Ein Nichts, das jeder Mensch jeden Morgen wegwirft“, so Delvoyes.

Wenn am 28. Juni das gesamte MuseumsQuartier eröffnet wird, setzen die Betreiber einen Schlusspunkt nach einer vom Boulevard angeheizten Planungsphase und einer nach außen offen und aktiv kommunizierten Bauzeit. Zuletzt hat Wolfgang Waldner die Diskussion um den Leseturm, der geplant, aber nicht gebaut worden ist, wieder aufgenommen.
Die geplanten Eröffnungstermine für das Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien und das Leopold Museum: September 2001. Im Jahr 2002 soll ein Theaterhaus für Kinder eingeweiht und das „Quartier 21“ im Fischer-von-Erlach-Trakt seiner Bestimmung übergeben werden.


Europride

Abgeschlossen werden die Eröffnungsevents des Museumsquartiers am 30.6. gleichzeitig mit der Abschlussveranstaltung des Lesben- und Schwulenfestivals Europride. Mit der von Kunsthalle und Museumsquartier veranstalteten „Europride Night“ im Anschluss an die Regenbogenparade beweisen die Museums-Chefs, dass die Institutionen auch gemeinsam Feste feiern können.


[Tipp:
„Eine barocke Party“, 12. Juni bis 16. September, Kunsthalle Wien.
Die Eröffnungsfeiern des MQ:
30.6.: open area day - Die Entdeckung eines Kulturbezirks
ab 10.00 Uhr: Kulturpicknick, Kulturwandertag, Kinderprogramm, Bühne im Haupthof. 22.00 Uhr: „Quart“ - Sound-Vision-Projekt von Robert Spour; Projektionen, Pyrotechnik, Laser- und Klanginstallation, Tanzperformance ab 22.00 Uhr: „Europride Night“, Halle E+G.]

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