Bauwerk

MuseumsQuartier Wien - MQ
O&O Baukunst, Manfred Wehdorn - Wien (A) - 2001

Und ewig lockt der Turm

Nach Jahren erbitterter Diskussionen und mehreren Konzept-Korrekturen wird das Wiener Museumsquartier nun eröffnet.

28. Juni 2001
Etliche Vorschusslorbeeren und jede Menge Querelen und Tadel - noch vor seiner offiziellen Eröffnung am Donnerstag erhitzt das Wiener Museumsquartier (MQ), das zu den zehn größten Kultur-Arealen der Welt zählt, die Gemüter. Die Verbindung von Alt und Neu im Areal der vom Barockbaumeister Fischer von Erlach errichteten ehemaligen Hofstallungen geht manchen zu weit, anderen wieder nicht weit genug.


Sichtbares Zeichen fehlt

„Überall fragt man mich, warum wir kein deutlich sichtbares Zeichen nach außen haben. Ich wünsche mir ein Signal, ein Zeichen, wenn Sie so wollen: Einen Turm. Denn das Museumsquartier spielt in der obersten Liga der Welt“, stellte Wolfgang Waldner, sonst stolzer und zufriedener MQ-Geschäftsführer, kürzlich fest.

Klar gegen den Leseturm als neues Wahrzeichen des Museumsquartiers hat sich unterdessen Wiens Kulturstadtrat Mailath-Pokorny ausgesprochen. Stattdessen befürwortet er das Designzentrum auf dem Vorplatz. Dafür gäbe es bereits einen Entwurf. Hingegen würde der Leseturm keine Funktion erfüllen und überdies einen abermaligen Eingriff in einen bereits gestalteten Raum bedeuten, so der Kulturchef.


„Eigenverantwortliche Perlen“

Bereits davor hatte sich Vitus H. Weh, Leiter des Projekts „Kunst auf der Baustelle“ heftig gegen die Forderungen Waldners ausgesprochen. „Das letzte, was das Museumsquartier jetzt noch brauchen würde, ist ein Leseturm. Das ist nur ein monumentales architektonisches Zeichen. Was wir wirklich brauchen, ist das, was das Museumsquartier immer ausgezeichnet hat: Eigenverantwortliche Perlen.“ Vitus H. Weh ist, gemeinsam mit Markus Wailand, Koautor des Konzepts für das „Quartier 21“, das die Unterbringung kleinerer Institutionen wie depot, basis Wien oder public netbase regeln soll.


Aus der Sicht des Architekten

Und wie beurteilt der planende Architekt die unterschiedlichen Standpunkte zu Wiens neuem Kulturzentrum? Das Museumsquartier sei „von der ersten Minute an ein Objekt der Begierde“ aller Seiten und „meilenweit aus der Griffweite der Architekten entfernt“, stellte Laurids Ortner fest. Es sei vor allem den Architekten zuzuschreiben, dass das Museumsquartier realisiert worden sei. Auf politischer Ebene hätte es diesbezüglich immer an Ansprech- und Diskussionspartner gefehlt.

In Zusammenhang mit Kritik an manchen Architektur-Details verglich Ortner das Projekt mit dem Looshaus am Michaelerplatz: Es habe eine erstaunliche Frische behalten. Auch wenn man bis heute nicht wisse, was es an diesem Platz soll. Aber: „Es ist nachhaltig - das ist auch ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit, die eben nicht auf den Tageserfolg ausgerichtet ist. Wir bauen hier kein Bilbao, es geht um eine Form von Vermischung von Altem und Neuem in neuer Qualität. Die kulturkämpferische Position ist im letzten Jahrhundert abgehandelt worden“, so Laurids Ortner.


Probleme mit „Public Netbase t0“

Probleme gibt es auch mit Public Netbase t0, dem Institut für Neue Kulturtechnologien. Man werde zwar an den kommenden Eröffnungsfeierlichkeiten teilnehmen, wisse jedoch nicht, ob eine weitere Zukunft im Museumsquartier gesichert ist, heißt es in einer Aussendung. Trotz mehrfacher Ankündigung der MuQua GesmbH. sei der Netzkultur-Institution bisher der Abschluss von Mietverträgen für einen Wiedereinzug im Jahr 2002 vorenthalten worden. Damit gäbe es rechtliche Unsicherheit.


„Projekt der Metamorphosen und der Erpressung“

„Bei der Eröffnung werden Sie begeisterte Reden auch von jenen hören, die den Turm verhindert haben“, stellte Erhard Busek - als ehemaliger Wissenschaftsminister einer der „teilzeit-teilverantwortlichen Bauherren“ anlässlich der Buch-Präsentation von „Größere Gegner gesucht! - Kulturbauten im Spannungsfeld von Politik-Medien-Architektur“ fest.

„Das Museumsquartier ist ein Projekt der Metamorphosen, ein Projekt der Erpressung, ein Projekt der Charakterdarsteller, ein Projekt der Hoffnung gegen die Hoffnung“, so Busek. Er habe bei der Durchsetzung mehr die Befürworter mit ihren immer neuen Änderungsvorschlägen gefürchtet als die deklarierten Gegner. Er sei „selig“, dass das Museumsquartier nun realisiert worden sei. Schon wegen der inneren Reputation der Republik, die nun endlich diesen großen Kulturbau verwirklicht habe, meinte Busek.


[Tipps
„Größere Gegner gesucht! - Kulturbauten im Spannungsfeld von Politik-Medien-Architektur“ von Dietmar M. Steiner, Saha Pirker, Katharina Ritter Architekturzentrum Wien, Birkhäuser, 207 Seiten, ISBN: 3-7643-6463-7

Der ORF bittet zur Preopening-Party und überträgt am Donnerstag ab 20.30 Uhr aus dem Wiener Museumsquartier.

Das vollständige Programm der Eröffnungsfeierlichkeiten finden Sie auf der neu gestalteten Seite des Wiener Museumsquartiers

Ein Klassiker der - damals noch - Muqua-Debatte ist das Themenheft Zur Sache aus dem Jahr 1995.]

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Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

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