Bauwerk

MuseumsQuartier Wien - MQ
O&O Baukunst, Manfred Wehdorn - Wien (A) - 2001
MuseumsQuartier Wien - MQ, Foto: Gerald Zugmann

Auch das Ruhige kann Spektakel sein

Das Museumsquartier steht vor der Vollendung, die Häuser wurden übergeben

Allen Unkenrufen zum Trotz ist mit dem Museumsquartier ein beschaulicher Kulturbezirk entstanden, in dem der Besucher selbst Muse sein darf. Ein erster Rundgang mit Architekt Laurids Ortner

19. Januar 2001 - Ute Woltron
In den vergangenen Jahren hat jeder, der irgendwie mit Architektur zu tun hat, über das vom Volks- und Politikerwillen zurechtgestutzte Museumsquartier (MQ) gelästert. Schuld daran war das Prozedere seines Entstehens. Erst hatte es einen Wettbewerb gegeben, dann ein Siegerprojekt, schließlich eine endlose Dreckschleuderdebatte um die Architektur, in die sich fachlich völlig Unbedarfte mit einer sagenhaften Selbstverständlichkeit einmischen durften. Solchermaßen, das schien allen wackeren Architekturstreitern der Nation klar, könne nur schwächliche Kompromissarchitektur entstehen. Sie haben sich geirrt.

Wer dazu über all die Jahre beharrlich schwieg, war das Architektenbrüderpaar Manfred und Laurids Ortner. Gestern wurden schließlich die drei neuen Hallen in den alten Hofstallungen ihren künftigen Betreibern übergeben. Die Sammlung Leopold bekam einen weißen Museumsblock, das Museum moderner Kunst einen schwarzen, die Kunsthalle einen ziegelroten Riegel, und obwohl die Angelegenheiten noch nicht ganz fertig gestellt und vor allem die Außenräume noch nicht hergerichtet sind, darf Folgendes festgestellt werden: Die Wiener werden dieses MQ annehmen, sie werden es in ihren Besitz nehmen, sie werden es früher oder später immer schon gewusst haben, dass ohne Museumsquartier Wien nicht Wien wäre. Die acht „Beisln“ auf dem Gesamtareal dürften zu diesem Zweck sozusagen enzymatische Wirkung im Dienste leichterer Verdaulichkeit entwickeln.

Doch diese Architektur hat das eigentlich gar nicht nötig. Sie ist kein Spektakel, will es auch nicht sein. Die Hallen sind, so Laurids Ortner, „grundsolide Häuser - und aus“. Er hat erstaunlicherweise vollkommen Recht. Der Besucher durchschreitet grundsolide Architektur, an der es nichts zu meckern gibt, es sei denn die teils ärgerlich schlamperte Ausführung.

Zu Kaisers Zeiten hätte etwa der Steinmetz der hingeschluderten weißen Kalksteinfassade des Leopold-Blocks wahrscheinlich für den Rest seines Lebens im tiefsten Banat Wache schieben müssen. Heutzutage kann er erklären, dass die Ritzen zwischen den Platten halt zu schmal seien, um verfugt zu werden. Er möge diese Aussage überdenken, denn erst wenn diese Falten geglättet sind, wird der Steinblock seine Monolithwirkung entwickeln.

Im Museumsinneren geht es ruhig und unspektakulär weiter. Ein hohes Atrium empfängt den Besucher, rundherum schließen sich entspannt Ausstellungshallen windflügelartig an. Weiße Wände, dunkle Eichenparketten, die Verkehrsflächen auch bodenseits Kalkstein - alles ist groß, schwer, tief, quasi zurückhaltend im Dienste der großen Schieles und Klimts und anderer Malervorväter, die hier im Mittelpunkt stehen werden. Das Haus bohrt sich so tief in den Boden hinein, wie es herausschaut, es ist insgesamt fast 40 Meter hoch.

Das Gleiche gilt für den schwarzen Basaltlavablock, in dem das Museum moderner Kunst residiert. Hier wird's ein bisschen spannender, weil zum einen ein großzügiger Liftschacht das gesamte Haus durchbohrt und seine enormen Dimensionen eröffnet, und weil zum anderen die verwendeten Materialien eine interessante Kombination bilden. Schwarzer, poröser Stein trifft auf sattes, speckiges Gusseisen. Dazwischen schießen glänzende Stahllifts mit grünem Glas auf und ab. Die dazugehörigen Ausstellungshallen: ebenfalls ruhig, unaufgeregt, ihrem Zweck entsprechend. Tadellos.

Die eingeschobene Sitztribüne inmitten der ehemaligen Winterreithalle ist auf der Unterseite mit blitzendem Aluminium verkleidet, das sich flott vom Sisi-Schnörkelbestand abhebt und ein schönes Foyer (samt einem Café von Eichinger oder Knechtl) schafft. Hinter dieser Veranstaltungshalle liegt die großzügig dimensionierte Kunsthalle im Ziegelkleid.

Was das MQ grundlegend von Architekturheulern wie Guggenheim-Bilbao unterscheidet: Es wird mit seinen vielfältigen Außen- und Innenbiotopen vor allem von den Ortsansässigen belebt werden. Touristen sind willkommen, aber nicht Mittelpunkt. Was allerdings schmerzlich fehlt, ist das architektonische Rufzeichen. Ein fescher „Leseturm“ wäre dringend angesagt.

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