Bauwerk

MuseumsQuartier Wien - MQ
O&O Baukunst, Manfred Wehdorn - Wien (A) - 2001

Kunst und Stadtentwicklung

Sabine Oppolzer über eine international besetzte Diskussionsreihe über mögliche Entwicklungen des Museumsquartiers.

26. März 2001 - Sabine Oppolzer
Ende Juni eröffnet das Museumsquartier in Wien. Werden die Feierlichkeiten den Schlussstrich unter ein phasenweise sehr umstrittenes Projekt ziehen? Oder werden die Sektkorken der Startschuss für ein international Aufsehen erregendes Kultur-Jahrhundert-Projekt sein?
Was kommt dann? Eine Flut von Touristen aus aller Welt, die diese einzigartige Konstruktion kultureller Vielfalt überschwemmen werden? Werden auch die angrenzenden Bezirke damit einen sensationellen Aufschwung erleben? Viele unbeantwortete Fragen also.

Die Errichtung der Tate Modern, eines gigantischen Ausstellungsraumes für moderne Kunst, der vor einem Jahr in London eröffnet wurde, könnte die Antwort darauf geben. Denn die städtebauliche Signalwirkung dieses von Herzog & DeMeuron konzipierten Gebäudes in einem der ärmsten Stadtviertel Londons ist mehr als beachtlich.

Bereits im ersten Jahr nach der Eröffnung war der Tate Modern ein Besucherstrom von drei Millionen Menschen prognostiziert worden. Damien Whitmore, der für die Öffentlichkeitsarbeit in der Tate Modern zuständig ist, präzisiert: „Drei Millionen hatten wir schon im Oktober 2000. Innerhalb des ersten Jahres, also bis Mai 2001 werden wir auf 5 Millionen kommen.“


Aufschwung durch Architektur

Der erste Besucherstrom galt allein der Architektur. Das Architektenteam Herzog & DeMeuron hatten das Redbrick-Elektrizitätswerk aus dem vorigen Jahrhundert mit einer Aufsehen erregenden Dachkonstruktion aus Glas umgebaut. Damit ist das Zentrum Londons durch eine neue Ikone zeitgenössischer Architektur bereichert. Dem ursprünglichen Architekten, Charles Gilbert Scott, ist bereits eine Ikone des Londoner Stadtbildes zu verdanken: die traditionellen roten Telefonzellen.

Dennoch ist Charles Gilbert Scott, dessen Vater Bahnhöfe entworfen hat, ein vergessener Designer. Damien Whitmore ist begeistert: „Wir haben also nicht nur ein wunderbares Gebäude in London wiederentdeckt, sondern eine ganze Design-Dynastie, die immerhin hundert Jahre hier gewirkt hat.“


Kehrseite der Medaille

Bis vor kurzem war das Gebiet südlich der Themse, obwohl nur einen Steinwurf von London City entfernt, ein sehr entlegener Stadtteil, der von brach liegenden Industriegeländen dominiert wurde. Das hat sich seit Errichtung der Tate Modern geändert. Heute ist der Bezirk, zumindest im Bereich der Themse, schick geworden. Ein Effekt, der durch die traditionellermaßen kaum gelenkte Stadtentwicklung in London zu rasch kam und übers Ziel hinausschoss. Denn für jene Schichten, die davon eigentlich profitieren sollen, ist Southwalk als Wohngegend nicht mehr finanzierbar.


Kulturelles Brachland

Der Großteil des Stadtteils Southwalk, der sich weit in den Süden erstreckt, ist zwar teurer geworden, aber kulturell kaum neu belebt. Die Moral von der Geschichte: Es sollte nicht verabsäumt werden, in der Umgebung eines solchen Großprojektes Satelliten wie Ateliers oder Galerien anzusiedeln.

Wie gelingt es also die Dynamik, die kulturelle Großprojekte wie die Tate Modern oder das Museumsquartier mit sich bringen, möglichst produktiv für das gesamte Umfeld auszunützen? Welche Lehren kann Wien aus den Erfahrungen Londons ziehen? Eine vom Museumsquartier initiierte Veranstaltungsreihe wird Fragen wie diese erörtern. Den Beginn machte am Mittwoch Damien Withmore von der Tate Gallery, der im RadioKulturhaus über „Kunst und Kultur als Motor der Stadtentwicklung“ referierte.


Diskussionsreihe

Die nächste Veranstaltung der Serie „1:2001“ am 27. April wird die Möglichkeit bieten, die Rolle der so genannten „Cultural Industries“ im zukünftigen „Quartier 21“ zu analysieren. Das Impulsreferat zur Diskussion über die gesamteuropäische Bedeutung dieses Sektors wird Justin O'Connor vom Manchester Institute of Popular Culture halten. Am 29. Mai gibt es dann eine Diskussion zum Thema „Hubs, Networks und Links. Kulturorganisationen im globalen Kontext“.

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